Keine Räume für Antisemiten

Wir sind bestürzt über die aktuellen Ereignisse und die grauenvollen, menschenverachtenden Taten der Hamas, die gezielt Zivilist_innen ermorden. Seit der Shoah sind in so kurzer Zeit nie so viele Jüdinnen und Juden getötet worden. Noch immer sind viele israelische Zivilist_innen verschleppt und die palästinensische Zivilbevölkerung von den geplanten Rückschlägen der IDF betroffen. Wir sind in tiefem Mitgefühl für alle Betroffenen und Opfer des Krieges.

Unser Blick richtet sich jedoch nicht nur nach Israel und Gaza. Es wurde bereits vieles zu den aktuellen Geschehnissen geschrieben und geteilt, wir wollen uns in diesem Text jedoch explizit mit der Reaktion vieler linker Gruppen auf die Geschehnisse auseinandersetzen. Wir betrachten dabei die politische Landschaft in Leipzig, das Agieren solcher roten Gruppen trifft jedoch auch auf andere Städte zu. Wir als feministische und antifaschistische Gruppe wollen nicht mit antisemitischen Gruppen zusammenarbeiten und fordern die Leser_innen dieses Textes auf, antisemitische Äußerungen ebenfalls als Ausschlusskriterium der Zusammenarbeit festzulegen.

Nicht erst seit dem letzten Konflikt tragen Handala, KO (Kommunistische Organisation), Zora Leipzig, Young Struggle Leipzig, KA (Kommunistischer Aufbau) und FKO (Föderation klassenkämpferischer Organisationen – Teil der FKO sind u.a. Frauenkollektiv, Internationale Jugend und Solidaritätsnetzwerk) ihre antisemitische Einstellung zur Schau. Diese wird auch immer wieder bei verschiedensten Themen nach außen getragen, ihr Antisemitismus hat Kontinuität. Ein kurzer Blick auf den Instagram-Auftritt oder die Demo- und Kundgebungsaufrufe reicht, um zu wissen, mit wem man hier kuschelt. 

Wir betrachten beispielhaft die Kundgebung der Gruppen Zora Leipzig, Young Struggle und FKO sowie der KA am 12.10.2023. Sie riefen zu einer Kundgebung für nationale Befreiungskämpfe in Kurdistan, Artsakh und Palästina auf.

Die Kundgebung romantisiert den Terrorangriff der Hamas durch die Gleichsetzung mit den Konflikten in Kurdistan und Artsahk und deutet ihn um in einen links-emanzipatorischen Befreiungskrieg. ​​​​​Die Gruppe Zora erklärt den Angriff auf Israel als großen Befreiungsschlag von der israelischen Besatzungsmacht (https://zora-online.org/2023/10/10/fur-den-kompromisslosen-widerstand-des-palastinensischen-volkes/). Geschult richten sie sich in ihren Texten und Aufrufen selbst gegen die reaktionäre und islamistische Politik der Hamas, die nur ein Akteur unter vielen sei. Doch während sie das terroristische Vorgehen der Hamas gegenüber dem eigenen Volk als Teil reaktionärer Politik begreifen, wird der am 07.10.2023 ausgeübte Terror gegenüber Juden und Jüdinnen als Teil eines nationalen Befreiungskampfes legitimiert.

Das ist auch ein Schlag ins Gesicht für alle Frauen und Queers, die gegen den radikalen Islamismus auf die Straßen gehen und gegangen sind. Denn zur patriarchalen Ideologie der Hamas zählt neben Antisemitismus auch eine misogyne Sexualmoral, die sich in den grausamen Verbrechen der Hamas, wie Vergewaltigung, Verschleppung, Feminizid und Leichenschändung widerspiegelt. Frauenverachtung und Hass auf queere Menschen ist fundamental für den radikalen Islamismus. Doch hinter dem Ermorden von jüdischen Zivilist_innen im Sinne des nationalen Befreiungskampfes müssen Fragen nach „Klassenkampf und der Frauenrevolution“ zurücktreten. (https://zora-online.org/2023/10/10/fur-den-kompromisslosen-widerstand-des-palastinensischen-volkes/) Denn egal wie schlimm die Hamas im Gazastreifen und in Israel wütet, Israel ist schlimmer!

Es ist absurd, dass Gruppen und Personen, die sich in den vergangenen Monaten solidarisch mit den Freiheitsbestrebungen von Frauen im Iran gezeigt haben, nun die Taten der Hamas als „antikoloniale Kämpfe“ betiteln und als Befreiung feiern. Die Hamas wird vom iranischen Regime mitfinanziert und arbeitet an der Zementierung einer Gesellschaftsform, in welcher weder Frauen noch zugehörige anderer Minderheiten ein friedliches, geschweige denn befreites Leben führen können. Im Iran sind Frauen und ihre Verbündeten nicht erst nach dem Tod von Jina Amini protestierend auf die Straße gegangen und feierten das Abnehmen des Kopftuchs in der Öffentlichkeit als Symbol des Freiheitskampfs. Die Lebensrealität von LGBTQI+ wird sich unter islamistischen Regierungen und Regimen nicht verbessern. Es ist uns unbegreiflich, dass man einerseits Demos zum Stonewall Jahrestag macht (FKO), und gegen das Patriarchat kämpfen will, gleichzeitig aber die Unterdrückung von Frauen und Queers unter dem patriarchalen Islamismus unterstützt. Wer Jin-Jiyan-Azadî (Frauen-Leben-Freiheit) ruft, der jüdischen Opfer des radikalen Islamismus jedoch nicht gedenken kann, hat kein Interesse an einer  „befreiten Gesellschaft“, sondern an der Vermarktung des eigenen Antisemitismus. 

Es ist infam die Massaker der Hamas, die sich insbesondere gegen Frauen und freiheitliches Leben richten, als Befreiungsakte darzustellen. Wie Düzen Tekkal treffend auf X schreibt: „An alle „Feministinnen“, die aus bequemer Ferne die Taten der #Hamas verklären: Ihr entsolidarisiert euch mit traumatisierten, vergewaltigten, entführten Jüdinnen. Ihr seid gegen #Femizide u. feiert eine Frauenmörderbande. Eine Schande!“ Die Unfähigkeit der Solidarisierung mit den Opfern zeigt sich in der Weigerung, die Täter in aller Deutlichkeit zu verurteilen. Tekkal folgert: der Hass auf Israel scheint ihnen wichtiger als ihr Feminismus.

Die Taktik dieses „Befreiungskampfes“ mit dem „bedingungslose Solidarität“ gefordert wird (siehe Aufruf zum 12.10.23) ist die der Enthauptung, der Leichenschändung und der Geiselnahme von Zivilist_innen und die öffentliche Zurschaustellung und Bejubelung jener grausamen Praktiken. Das ist islamistischer Terror. Mehr als 1000 Israelis sind tot, die meisten von ihnen Zivilist_innen. Der Angriff richtete sich gezielt gegen Zivilist_innen, gezielt gegen Juden und Jüdinnen. (https://taz.de/Hamas-Angriff-auf-Israel/!5965572/). Jede und jeder tote Zivilist_in ist zu beweinen und jede Tote ist eine zu viel.

Palästinensische Zivilist_innen leiden unter den Zuständen, unter dem Gegenschlag der IDF, aber auch unter der Herrschaft der Hamas. Es erscheint uns (eher) wie eine Instrumentalisierung des Konflikts als ein Interesse an einer Lösung, die der Komplexität desgleichen und der Bevölkerung gerecht wird. Das Leiden der Palästeninenser_innen wird ausschließlich zum Thema, wenn Israel als Akteur im Konflikt auftritt. Oder um Ronya Othmann zu zitieren: „Können Sie sich an Solidaritätskundgebungen erinnern, als das Assad-Regime 2013 das palästinensische Flüchtlingslager Jarmuk einkesselte, 18.000 Menschen, darunter 3500 Kinder, aushungerte und mit Fassbomben bewarf, bis Jarmuk den Beinamen „die Hölle auf Erden“ bekam?“. Oder an eine Reaktion der Linken auf den Libanon, in welchem palästinensische Geflüchtete als Staatenlose gelten und dieser Status der Entrechtung auch vererbt wird. (vgl. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/terroranschlaege-in-israel-taeter-werden-nicht-terroristen-genannt-17956314.html) Oder eine Anklage an die Regierung Ägyptens, die sich angesichts des Sterbens in Gaza nach wie vor weigert den einzigen Grenzübergang zu arabischen Ländern zu öffnen, um Zivilist_innen zu schützen.

Genau diese Komplexität des Konfliktes scheint es nicht zu geben. In kämpferischer, agitatorischer Manier wird Israel zum alleinigen Übel der Region erklärt, hinter dem sogar noch die Gräueltaten der Hamas zurückstehen. Es scheint nicht um das Leid der palästinensischen Bevölkerung zu gehen, sondern um eine Dämonisierung Israels.

Die Massaker zeigen uns erneut, dass jüdisches Leben weltweit gefährdet ist. Das ist ein unsäglicher Zustand. Nach Konflikten im Nahen Osten nehmen erfahrungsgemäß antisemitische Übergriffe weltweit zu. So erklärte die Hamas Freitag, den 13.10, zum „Tag des Hasses“ gegen Jüdinnen und Juden, globale Angriffe wie beispielsweise der Mord an einem Lehrer in Frankreich waren die Folgen.

Wir werden nicht tatenlos zusehen, wenn unsere jüdischen Freundinnen und Freunde im Land der Täter antisemitischen Äußerungen und Handlungen ausgesetzt sind und fordern unsere politischen Verbündeten ebenso zu konsequenter Verlässlichkeit und Integrität auf. Wir werden nicht zusehen, wenn „linke“ Gruppen sich (auch über Umwege) bedingungslos mit der Hamas solidarisieren und damit mit allen entsolidarisieren, die in Gaza und Isreal ihrem Terror ausgesetzt sind. Als feministische und israelsolidarische Leipziger Gruppe wollen wir den Antisemitismus insbesondere aus Teilen der lokalen linken Szene in aller Konsequenz kritisieren und mit antisemitischen Gruppen keine Räume teilen. 

Es ist hinlänglich bekannt, dass die genannten Gruppen ihre Veranstaltungen hauptsächlich im Zweieck und in der Bäckerei veranstalten. Wir richten uns vor allem an Räume, die nicht kontinuierlich und eventuell auch unwissend mit ihnen zusammenarbeiten und fordern euch auf, diesen Gruppen keine Räume für ihre Inhalte zu bieten. 

​​​Gleichzeitig richtet sich der Brief auch an die Gruppen, die mit den Genannten zusammenarbeiten oder ihnen ein Podium und Kooperation bieten. Darunter Platypus, Catcalls of Leipzig und der SDS. Sie halten sich selber strategisch mit Äußerungen zum Thema zurück, aber ignorieren oder bejahen eventuell sogar die dauerhaften antisemischen Auftritte ihrer rot-autoritären Freund_innen.

Wir beobachten, dass auch bei großen Demos wiederholt Blocks von diesen antisemitischen Gruppen gestellt werden oder sie prominent teilhaben durften; unser Blick richtet sich auf euch, 8. März Bündnis und Fridays for Future! 

Wer für eine befreite Gesellschaft kämpft, kann dies nicht Hand in Hand mit Antisemitismus, Islamismus und Misogynie. 

Es gibt kein befreites Leben unter dem radikalen Islamismus!